Südländisches Temperament im Gewandhauskonzert

Faszinierender Sgouros

Gewandhausorchester zusammen mit dem Pianisten Dimitris Sgouros

1991 - Leipziger Volkszeitung

 

Nun war er endlich auch im Gewandhauskonzert zu erleben, der griechische Wunderknabe Dimitris Sgouros. Schon als Zwölfjähriger hatte der 1969 geborene Pianist mit Rachmaninows 3. Klavierkonzert die New Yorker fasziniert. Und inzwischen ist er, der sechs Sprachen spricht, noch in Athen Mathematik studiert, mit einem Riesenrepertoire von einigen Dutzend Klavierkonzerten in allen großen Musikzentren der Welt gefragter Solist.

Als ich 1988 das Glück hatte, ihn in Athen erstmals im Konzert zu hören, war ich von seinem Spiel begeistert. Und war dennoch im Zweifel, ob nicht die mit südländischem Temperament bekundete Begeisterung seiner Landsleute, die alles überflutende Euphorie im kolossalen Odeion Herodes Atticus meinen Eindruck stärker bestimmt hatte als Sgouros' Gestaltungskunst. Die Zweifel erscheinen mir unberechtigt. Wie er jetzt in Leipzig Johannes Brahms' B-Dur-Klavierkonzert musizierte, war bestechend.

Natürlich verfügt Dimitris Sgouros über die technische Perfektion und die Kraft, den schwergriffigen Klaviersatz von Brahms volltönend auszuspielen und sich damit gegenüber dem Orchester zu behaupten. (Immerhin prägte ja der Wiener Musikkritiker Hanslick das Wort von der „Symphonie mit obligatem Klavier“.) Aber daß Sgouros dies ohne äußerliche Virtuosenattitüde, ohne artistische Zur-Schau-Stellung leistete und statt dessen den Eindruck erweckte, er spiele das simpelste Klavierstück, dies überraschte denn doch. Und wie er den Flügel klingen ließ, mit welcher Leichtigkeit er etwa den Schlußsatz begann, wie zart und sensibel er Strukturen, die bei anderen Interpreten oft nur kompakt wirken, in vielschichtige Klangbänder auflöste, darüber durfte man zu Recht in Entzücken geraten. Die Leipziger Hörer steigerten sich denn auch in hierzulande ungewöhnliche Ovationen. Sie galten verdientermaßen auch Kurt Masur und dem Gewandhausorchester, die Sgouros die angedeutete nuancierte Entfaltung ermöglichten, andererseits aber in den Soll (vornan Michael Sanderling mit dem exponierten Violoncello-Part im Andante-Satz) und in den sinfonischen Abschnitten fesselnd aufspielten.

Nach der Pause folgte Beethovens 8. Sinfonie - von Masur als spannungskonflikt - und energiepralles Werk interpretiert, in einer Art, die Gedanken an die dem Werk oft etikettierte Heiterkeit; Leichtigkeit, ja Untergewichtigkeit kaum aufkommen ließen. Und die Musiker spielten in optimaler Übereinstimmung mit ihrem Chef nervig und intensiv in jeder musikalischen Geste.

Udo Klement

 

   

Sgouros und Kurt Masur proben und spielen Brahms (Klavierkonzert Nr. 2) im Gewandhaus zu Leipzig


 


 

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