Viel Beifall für beeindruckende Leistung
Zweites Extrakonzert des Musik-Collegiums Schaffhausen
30. Januar 1991 - Schaffhauser Nachrichten
In Zusammenarbeit mit den Klubhauskonzerten unter dem Patronat der Migros-Genossenschaft konnte das Schaffhauser Musik-Collegium ein Programm der Budapester Symphoniker unter Leitung ihres Chef-dirigenten Andras Ligeti übernehmen. Der mitwirkende Solist Dimitris Sgouros ist in Schaffhausen schon mehrmals aufgetreten: Er bestätigte den bereits gewonnenen Eindruck eines überragenden Bravourpianisten.
Musik der exaltierten Sorte aus Hoch- und Spätromantik bildete das Programm, welches das reich bestückte Gastorchester in jeder Hinsicht zur Geltung bringen konnte. Von Franz Liszt, dem wichtigsten Exponenten der Gattung «Symphonische Dichtung», erklangen die «Preludes», von Tschaikowsky die letzte Symphonie, die «Pathetique». Dazwischen Liszts A-Dur-Klavierkonzert, das sich in den lyrischen Partien stark der deklamatorischen Rhapsodik zuneigt und in den virtuosen Partien die Bravourpianistik des legendären Klavierspielers in allen Farben schillern lässt.
Es stellte sich sofort heraus, dass die Budapester Symphoniker und ihr Leiter Andras Ligeti mustergültig zusammenarbeiten und vor allem spieltechnisch perfekt vorbereitet waren. Die Präzision gemeinsamer Pizzicati, Bläserakkorde und schneller Figuren beeindruckte während des ganzen Konzertes, manifestierte sich aber prägend just in den «Preludes» von Liszt, die eine Folge von wechselnden Episoden, Stimmungslagen und Emotionen sind, zusammengehalten von einer Art «Leitmotiv» aus Sekunde und Quart, das vom sehnsuchtsvollen Bangen bis zu heroischer Gebärde die erstaunlichsten Metamorphosen durchläuft. Bereits zeigte sich, dass Ligeti zur Straffheit, Autorität und einer gewissen Härte eher neigt als zu expansiver Mitteilsamkeit oder auch weicher Gefühlsbetonung. Sein Rhythmus resultiert zackig aus winkliger Gestik und nicht aus der Bewegung des Körperschwungs heraus. Das sollte sich in der Tschaikowsky-Symphonie dann nicht nur positiv auswirken. Hingegen imponierte die umfangreiche Skala von dynamischen Graden, wobei für das schmetternde Forte prächtige Blechbläser und handfeste Paukisten zur Verfügung standen.
Mit dem Klavierkonzert in A-Dur von Franz Liszt legte der zweiundzwanzigjährige Grieche Dimitris Sgouros eine überragende pianistische Leistung vor: gross und tragend, auch energisch und kernig im Anschlag, Passagen und Filigranes mit phantastischer Leichtigkeit und Geläufigkeit ausgespielt. Akkordik und Oktaven wuchtig und gestochen klar. Die grossen Deklamationen wurden mit echt lisztscher Allure dargeboten, in Momenten besinnlicher Poesie - die zugegebenermassen selten sind - mochte sich Sgouros weniger wohl fühlen. Dass ihm interpretatorische Grenzen gesetzt sind, erwies sich beim Vortrag der Zugabe zweier Chopin-Preludes: Dasjenige in b-Moll ging in masslosem Tempo und massivem Pedalgebrauch eher chaotisch unter, im As-Dur-Stück waren es willkürliche Rubati, die es unnatürlich verzerrten. Doch auch hier war des jungen Pianisten Können selbstverständlich höchst beeindrukkend.
Mit Tschaikowskys letztem Werk, der «Pathetique», konnten die ungarischen Gäste sämtliche Register ihrer Orchestervirtuosität und ihrer Klangreserven ziehen, und Ligeti wählte dazu mit Vorliebe die lauten und lautesten. Namentlich das ungemein rassige Allegro molto mit seinem kühn profilierten Hauptthema, das noch und noch in steigender Entflammung Räume und Territorien erobert, resultierte zu früh und zu häufig extrem laut und wurde dadurch lärmig. Dafür gestalteten Ligeti und sein Orchester die langsamen, schmachtenden, aber auch tief trauervollen und erschütternden Sätze (den ersten und letzten) mit grosser Intensität und vielen subtilen Details. Und der anmutvolle Fünfachteltakt im Allegro con grazia kam in allen Ausdrucksvarianten gewinnend zur Geltung.
Das Publikum - das zahlreicher hätte sein dürfen - war stark beeindruckt und spendete enthusiastischen Beifall.
Rita Wolfensberger
Dimitris Sgouros und das Zürcher Kammerorchester
28. September 1983 - Neue Zürcher Zeitung
Der Vorruhm war enorm. Dieser griechische Pianist Dimitris Sgouros ist jetzt vierzehn Jahre alt. Schon als Zehnjaehriger gewann er an wichtigen Wettbewerben erste Preise. Seither ist er international aufgetreten, auch mit Klavierkonzerten von Rachmaninow und Tschaikowsky. Wichtige Figuren des internationalen Musiklebens bekunden Enthusiasmus. Wie spielt nun dieser Juengling tatsaechlich Klavier? Sein Zuercher Debut gab er mit Beethovens Ersten Klavierkonzert, dem in C-Dur (am 26. September im Grossen Tonhallesaal). Ueber das Stadium des Wunderkindes ist er laengst hinaus. Denn dazu ist sein Spiel allzu reflektiert, auch allzu raffiniert. Er verbindet Weichheit mit Haerte, das pikant Zeichnerische mit dem abgerundet Klanghaften. Seine Sforzato-Akzente sind glaesern-scharf, aber nie trocken oder bruesk. Die Ritardani haben die Schwebung des ausgekluegelten Rubato, wirken aber nie schleppend oder spannungslos. Sein Cantabile schliesslich kennt atmende Zaesuren, die aber nicht vom Tasteninstrument diktiert sind, sondern vom gestalterischen Willen des Pianisten. Mehr als bloss wundersam war die formal gliedernde Gestaltung der Kadenz im ersten Satz: das Verteilen von Helle und Schatten, von Schwere und Leichtigkeit, von Bewegung und Innehalten muss als bereits meisterlich bezeichnet werden. Das Publikum liess sich von dem kraftvoll maennlichen Spiel hinreissen und spendete zu Recht begeisterten Applaus. Mit Zugaben war der Pianist sehr freigebig. Das Zuercher Kammerorchester assistierte unter seinem Dirigenten Edmond de Stoutz praesent, animiert und gab einzig im Schlusssatz dem gelegentlichen Draengen des Solisten etwas allzu bereitwillig nach. Die Konkordanz blieb jedenfalls gewahrt. Voellige innere Einheit herrschte zu Beginn des Abends in Beethovens Erster Sinfonie. Es war eine aeusserst durchgestaltete Darstellung. Die Blaeser, vor allem auch die Hoerner, blieben sorgsam integriert, in sich gerundet, doch als Farbwerte nie ueberstark hervortretend. Zudem war es seine Umsetzung in richtigen Tempi. Das erste Allegro erklang wirklich con brio. Das Andante erbluehte voll cantabile. Das Allegro molto e vivace des Menuetto ging ohne Verhetztheit ab. Im Finale war der Uebergang vom Adagio zum Allegro makelfrei und durchaus energetisch erfuellt. Ein rundweg geglueckter Abend zu Beginn der neuen Konzertsaison dieses Ensembles.
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