Die meisten Erwartungen erfüllt
Meisterkonzert mit dem Sharon-Quartett und dem Pianisten Dimitris Sgouros
Ulm — 31. Oktober 1988
Südwestpresse - 2. November 1988
Ein Meisterkonzert mit dem Sharon-Quartett und dem Pianisten-Wunderknaben Dimitris Sgouros nährt freudige Erwartungen, besonders dann, wenn auch noch so attraktive Werke wie Mozarts g-Moll-Klavierquartett, Ravels ganz im Licht des Impressionismus leuchtendes F-Dur-Quartett und das Klavierquintett op. 34 von Johannes Brahms auf dem Programm stehen. Im Edwin-Scharff-Haus wurden diese Erwartungen zum größten Teil erfüllt, auch wenn der kammermusikalische Auftritt des jugendlichen Tastenzauberers aus Athen, um den es in letzter Zeit etwas stiller geworden ist, nicht restlos zu überzeugen vermochte.
Dafür entschädigte das erst 1984 gegründete Sharon-Quartett mit dem leichthändig und intonations-perfekt aufspielenden Geiger Gil Sharon, dem hervorragenden Cellisten Catalin Ilea-Meier, dem soliden Bratschisten Georg Haag und der nicht minder profilierten zweiten Geigerin Rodica-Daniela Ciocoiu mit einer nicht auf Stromlinienform getrimmten Virtuosität und mit engagierter Ausdrucksfähigkeit, die vorzugsweise bei Ravel, aber auch beim emotionsgesättigten Brahms-Quintett schone Wirkungen hervorriefen. Das Quartett rumänischen Ursprungs, dessen Mitglieder mittlerweile alle internationale Karrieren gemacht haben, ist sicher aufeinander eingespielt, weiß die Wirkung eines warmen, sonoren Streichertons ebenso souverän einzusetzen wie das Mittel der exzessiven Steigerung, kann ganz spontan reagieren und entwickelt viel Sensibilität im Umgang mit den verschiedenen musikalischen Sulen.
Im Zusammenspiel mit Dimitris Sgouros erschöpft sich die Wirkung allerdings vorwiegend in der virtuosen Geste. Sgouros, dessen Vorschußlorbeeren wohl etwas zu üppig ausgefallen sind, ist zwar ein blendender Klavierspieler mit einer traumhaft sicheren Technik, in der Korrespondenz allerdings mit seinen Streicherkollegen kann er - was von einem Neunzehnjährigen vielleicht auch nicht erwartet werden kann - gestalterisch noch nicht mithalten. Dafür vertraut er ganz dem pianistischen Glanz, hämmert seine Akkordketten aus den Tasten, als sei er allein auf dem Podium und bleibt erstaunlich blaß in jenen Passagen, wo es um eine einfühlsame, auf die Mitspieler eingehende Spielweise gehen müßte. Das Sharon-Quartett vermochte der Versuchung nicht immer ganz entgehen, diesen virtuosen Vorgaben im Interesse einer momentanen, vordergründigen Wirkung zu folgen. Das Mozart-Klavierquartett am Anfang, mit seinem schwermütigen Allegro, seinem innigen Andante und seinem geschmeidigen, lustig auftrumpfenden Rondo-Allegro, war recht dazu angetan, die Zuhörer auf den individuellen Musizierstil des Quartetts einzustimmen, auch wenn manche Einzelheit noch etwas konturenlos klang. Sehr launig und inspiriert kam aber schon das Rondo daher.
Ravels meisterliches F-Dur-Quartett - ein Prüfstein für jedes einschlägige Ensemble, machte dann den eigentlichen Rang der Künstler auf überzeugende Weise klar. Manche Unebenheit im Zusammenspiel wurde nebensächlich vor den schönen Pianissimo-Wirkungen, vor dem feinsinnig gewebten Filigran zum Beispiel des ersten Satzes und vor den effektvoll ausgekosteten Rhythmisierungen im Scherzo und im Finale.
Das Brahms-Quintett schließlich imponierte wegen seiner Leidenschaftlichkeit und seinem originalen Gedankeninhalt, wegen seinen „gewalttätigen“ Steigerungen, aber auch wegen der tröstlichen Empfindsamkeit um verträumten Andante. Dem Sharon-Quartett gelangen hier Passagen von großer Spannung und Expressivität. Dem begeisterten Publikum dankten die Künstler mit einem Scherzo von Dvorak als Zugabe.
Olaf Gööck
Vier-Kammer-Virtuosen und ein Wunderkind
Konzert mit dem Sharon-Quartett und dem Pianisten Dimitris Sgouros im Edwin-Scharff-Haus
Schwäbische Zeitung - 2. November 1988
Alle vier, das sind Gil Sharon, Rodica-Daniela Ciocoiu, beide Violine, Georg Haag, Bratsche, und Catalin Ilea-Meier, Violoncello, sind auf dem Gebiet der Kammermusik und auch solistisch erfolgreich. 1984 gründeten sie das „Sharon-Quartett“. Beim zweiten Meisterkonzert stellten sich die aus Rumänien stammenden Künstler im Edwin-Scharff-Haus dem Ulmer und Neu-Ulmer Publikum vor mit einem gut gewählten Programm: Mozart, Ravel und Brahms brachten sie auf eine ganz spezielle Art mit individuellen Klangfarben. Der starke Applaus läßt darauf schließen, daß dem Publikum ihre Interpretationsvorstellungen gefielen, die sie in einem weitgehend geschlossenen Spiel wiedergaben...
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