Jugendlicher Romantiker: Ein Abend mit Dimitris Sgouros

Dimitris Sgouros Klavierabend Berlin 12. Januar 1994

Berliner Morgenpost - 14. Januar 1994

 

Die musikalische Sensation ist Vergangenheit. Nach einem außerordentlich steilen Karrierehöhenflug hat nun auch der ganz normale Interpretenalltag den jetzt 23jährigen griechischen Meisterpianisten Dimitris Sgouros eingeholt. Er muß sich bemühen, seinen bisherigen überaus erfolgreichen frühen Weg im Erwachsenenalter fortzusetzen und künstlerisch weiter seinen Mann zu stehen. Bei seinem Klavierabend im Kammermusiksaal der Philharmonie wirkte Sgouros wie ein Junger Künstler, der auf der Suche nach neuen Wegen und Inhalten ist.

Das rein romantische Programm, mit dem er aufwartete, war auffallend unkonventionell. Musikalische Phantasien zum Thema des Abends zu machen, war sogar ein origineller Einfall. Nur hätte Sgouros auch ganz konsequent sein sollen. Chopins Polonaise in As-Dur, zumal ein bißchen verschwommen geboten, paßte gar nicht dazu. Wenn schon Chopin, dann dessen op. 49, 61 oder 66.

Eine Bach-Bearbeitung von Feruccio Busoni, die allzu vollgriffige Umformung der berühmten Chaconne aus der Partita für Solo-Violine, mutet heute wie eine ästhetisch bedenkliche Kuriosität an. Sie wird zu Recht von den meisten Pianisten gemieden. Auch Sgouros wußte interpretatorisch mit ihr nicht viel anzufangen, spielte sie mehr obenhin statt spürbar engagiert. Busoni nicht als Bearbeiter, sondern als Komponist, etwa seiner „Phantastischen Erzählungen“ wäre ohnehin die reizvollere lohnendere Aufgabe gewesen.

Wie eine Rückbesinnung auf seine pianistische Vergangenheit mußte die Wahl der „Norma“ Phantasie nach Bellinis gleichnamiger Oper von Franz Liszt erscheinen. Paraphrasen solcher Art sind bestens geeignet vor allem zu demonstrieren, welches manuelle Können man „auf dem Kasten“ hat. Das ist bei Sgouros unverändert bewunderswert viel. Er ließ rasant die Oktaven und Akkorde aufrauschen und herabperlen und entfachte zur Begeisterung des Publikums einen furiosen Tastenwirbel. Ein Liszt-Spieler von hohem Rang und absoluter Kompetenz ist er ohne Frage.

Auf reine Schaueffekte und pianistische Kraftmeierei kommt es indessen bei der dreisätzigen großen C-Dur-Phantasie von Robert Schumann nicht an. Sgouros' interpretatorische Auseinandersetzung mit dem recht schwierig zu gestaltenden Stück war gewiß nicht leichtfertig. Daß er dem „leidenschaftlich vorzutragenden“ ersten Teil nur den Eindruck von recht pauschalem Schwung gab, die feurig auflodernde Expressivität weitgehend schuldig blieb - es ist sicher kein Fehler, sondern eher eine Frage des Lebensgefühls.

Im zweiten und dritten Satz des Werkes fühlte sich Dimitris Sgouros offenbar am wohlsten. Da machte er deutlich, daß er den richtigen Zugang findet zu Schumanns zarter Lyrik, zu feinen Facetten und schön differenzierten Nuancen.

Wolfgang Schultze


 

 „Er besitzt vielmehr einiges Temperament, unerschütterliche Treffsicherheit und ein verblüffendes Gedächtnis...“  - Joachim Kaiser (Grosse Pianisten in unserer Zeit)

 

Abendgesellschaft.... mit deutschen Musikkritikern

 



 


 

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