Beschwörung von Tod und Teufel
Dimitris Sgouros und die Wiener Symphoniker im Konzerthaus
15. Oktober 1989 - Der Standard
WIEN - Das Podium des Großen Konzerthaussaals, in Halbdunkel gehüllt, geschmückt mit Röhrenglocken, Harfen und Kontrabässen und völlig menschenleer. Auftritt Dimitris Sgouros, er beginnt den Abend solo auf dem Steinway mit Franz Liszts Nuages gris und Unstern, zwei Stücken des einsamen, apokalyptischen Spätwerks.
In der ausgebrannten Stille leerer Tritoni, begleitet vom nicht unerheblichen Geräuschpegel des sichtlich ergriffenen Publikums, entfaltete Sgouros die hohlen Oktaven, die nirgendwohin führenden Gipfelungen mit jener vertieften Ruhe, die seinem Sensations-Image als Jungvirtuose eine wesentliche Korrektur verpaßte.
So theatralisch begann das Konzert der Wiener Symphoniker unter Heinz Holliger, das in seiner ersten Hälfte gänzlich dem Werk Franz Liszts gewidmet war, des größten Schauspielers aller Pianisten.
Auf die Klavier-Monologe folgte deren Übersetzung ins orchestrale Medium, die Holliger 1986 erstellt hat: keine „Orchestrierungen“, sondern eine Transkription, eine Umschreibung in den Klangraum des 20. Jahrhunderts: In einem eher der Klangfarbenmelodik der Wiener Schule verpflichteten durchbrochenen Satz wurden die starren Motive wie Objekt-Installationene präsentiert, die jenen atonalen Schatten, der sich bei Liszt bloß andeutet, in mächtiger Verbreiterung warfen.
Nichts geriet dem Abbe Liszt suggestiver als die Beschwörung von Tod und Teufel. Der Totentanz, sein vielleicht ingeniösestes Klavier-Orchester-Werk, gereit den endlich vereinten Interpreten zum ebenso bruitistischen wie brillanten Spektakel, wobei der zwanzigjährige Virtuose bei aller Lust an Akkord-Ketten und unheimlicher pianistischer Behendigkeit doch stets die musikalische über die manuelle Kontrolle stellte.
Nach der Pause war einmal mehr festzustellen, welch vorzügliche Leistungen der Dirigent Holliger einem Orchester - den hervorragend disponierten Symphonikern - abzuforden vermag. Mahlers Vierte Symphonie gelang mit jener Schlankheit und präzisen Artikulation, die dieses schwierige Stück nicht in Wunschträume vom musikalischen Biedermeier abstürzen ließ. Auch Brigitte Poschner-Klebels subtil nuancierte stimmliche Schlußleistung fügte sich dem Gesamteindruck harmonisch ein: „Kein Musik ist ja nicht auf Erden, die uns'rer verglichen kann werden...“
W. Fuhrmann
Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 - Dimitris Sgouros / Wiener Symphoniker / Martin Sieghart
14. März 1985
Günther Ziesel im Gespräch mit dem Pianisten Dimitris Sgouros in Graz
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